Stadtratssitzung vom 28. September 2017
Die Stadtratssitzung vom 28. September 2017 stand für unsere Fraktion ganz im Zeichen der Lehrerversorgung.
Grundsätzlich teilen wir die Auffassung, dass im Stadtrat nicht Themen gewälzt werden sollten, die in den Landtag oder den Bundestag gehören. Inzwischen sind wir aber zu dem Eindruck gelangt, dass es dringend erforderlich ist, den Interessen unserer Bürger in wichtigen Lebensbereichen eine deutlichere Stimme zu verleihen, als dies von den Regierungsparteien zu erwarten ist. Vor allem bei der Lehrerversorgung an unseren Schulen scheint dies dringend notwendig. Deshalb hat unsere Fraktion – im Übrigen schon vor der Bundestagswahl – die folgende Beschlussvorlage in den Stadtrat eingebracht:
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, der Staatsministerin für Kultus schriftlich im Namen der Stadt Görlitz mitzuteilen, dass der Stadtrat eine jederzeit öffentlich zugängliche (Internet), transparente und schulgenaue Auflistung fordert, in welcher jeder Bürger den jeweils aktuellen und quartalsmäßig aktualisierten Stand der Lehrerversorgung an jeder Schule in öffentlicher Trägerschaft im Freistaat Sachsen nachvollziehen kann. Die Auflistung soll den jeweiligen fachbezogenen (Unterrichtsstunden-)Bedarf und dessen Abdeckung durch Lehrpersonalstunden ablesbar machen.“
Erfreulicherweise erhielt die Vorlage eine deutliche Zustimmung. Die CDU stimmte – offensichtlich selber zerknirscht über ihre Fehlleistungen auf landespolitischer Ebene – immerhin nicht dagegen, sondern enthielt sich der Stimme. Hier die ausführliche Begründung der Stadtratsvorlage, die unser Fraktionsvorsitzender, Dr. Weidle, in der Stadtratssitzung vortrug:
„Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte, werte Gäste,
Stadtrat und Stadtverwaltung haben in den letzten Jahren alle Anstrengungen unternommen, um für die Kinder und Schüler unserer Stadt mit der Modernisierung unserer Schulen, sogar mit dem Neubau einer Schule, mit der Modernisierung und dem Neubau von Turnhallen, mit einer umfangreichen Modernisierung des Stadions der Freundschaft, mit der Modernisierung und dem Neubau von Krippen, von Kindergärten und Horteinrichtungen gute Bedingungen zum Gedeihen und Lernen der Kinder unserer Stadt zu schaffen.
Und es gibt ehrlicherweise noch einiges zu tun. Aber das gehört zur originären Aufgabe unserer Stadt, unserer Verwaltung und selbstredend zu einer wichtigen politischen Aufgabe des Stadtrates.
Die Besetzung von den erforderlichen Lehrerstellen gehört aber nicht zur Aufgabe und Einflussnahme der Stadt und ihrer politischen Gremien.
Vor einigen Monaten wurde hier im Stadtrat die Frage an den Oberbürgermeister gerichtet, ob damit zu rechnen sei, dass zum Schuljahresbeginn die Lehrerversorgung in der Stadt Görlitz gesichert sei. Diese Frage war selbstredend als Bitte an den Oberbürgermeister formuliert, dahingehend Informationen von der Bildungsagentur bzw. dem Staatsministerium einzuholen und den Stadtrat darüber zu informieren.
OB Siegfried Deinege hat dies auch getan und uns noch im Frühjahr darüber informiert, dass noch keine verlässlichen Informationen über eine gesicherte Lehrerversorgung zu Beginn des Schuljahres zu bekommen sind.
Vor wenigen Wochen nun, wenige Tage vor Schuljahresbeginn, ließ die Staatsministerin Kurth dann die befürchtete Katze aus dem Sack: Ich zitiere sinngemäß: ‚Nein, wir haben es nicht geschafft‘, war die Botschaft, in Sachsen nicht und insbesondere in Ostsachsen nicht, wo zudem auch der seit Jahren höchste Anteil von Seiteneinsteigern ohne grundständige Lehrerausbildung herangezogen werden musste, um Stellen überhaupt besetzen zu können.
Ende der Mitteilung!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch wenn nicht zuständig, so haben wir als Stadträte doch die Pflicht uns um eine optimale Bildung unserer Schüler zu kümmern und vom Stadtrat muss ein hörbares und energisches Signal an die Landesregierung und das Kultusministerium ausgehen. Die Wahl vom Sonntag hat bei vielen Bürgern und auch unter uns Stadträten eine Schockstarre hervor gerufen. Aber Depression und Passivität helfen hier Niemanden.
Auch wenn diese Protestwahl vor allem einer verfehlten Bundespolitik galt, können auch wir in unserer Stadt nicht so tun als wenn uns das nichts angehe. Wir müssen noch mehr als bisher auf die Sorgen und Probleme unserer Bürger hören und versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten Missstände zu beseitigen oder Aufklärung betreiben.
Und hier sind wir uns mit der Einschätzung von Landrat Bernd Lange total einig. Zitat gestrige SZ: ‚Die CDU habe Fehler gemacht, die analysiert werden müssen. Das betreffe Themen wie Sicherheit an der Grenze, Kohleausstieg, Klimawandel, Kommunalfinanzierung und Bildung. Gerade beim Lehrermangel sei allen die Mitschuld der CDU klar. Dort ist eine Korrektur nötig.‘
Meine Damen und Herren, einen besseren Anwalt für unsere Vorlage kann man gar nicht haben. Unsere Bürger haben ein Anrecht auf eine transparente Information in Belangen, die praktisch jede Familie betreffen können.
Wir sind uns wohl alle darin einig, dass Bildung und Erziehung zu den Grundpfeilern unserer Gesellschaft gehören und dass hierbei alle mitwirken müssen, von den Eltern, der Familie bis hin zu den staatlichen Organen.
Geheimniskrämerei hat hier nichts zu suchen.
Als Stadträte und als Eltern und Großeltern möchten wir über die Ergebnisse und den Zustand der Bildungspolitik vernünftig informiert sein. Und die Lehrerversorgung an unseren Schulen gehört zweifellos dazu.
Das Argument, Bildung sei Landessache und habe im Stadtrat nichts zu suchen gilt für uns nicht! Wir wollen der Landesregierung mit unserer Vorlage gar keine Vorschläge unterbreiten, wie sie in der Bildungspolitik agieren soll.
Wir greifen eben nicht über unsere Zuständigkeit hinaus und fordern, ihr sollt das so oder so machen. Wir zielen auf das Ergebnis und wollen, dass dies dem Bürger auch offen kommuniziert wird. Er soll wissen, woran er ist und wie sich die Dinge weiter entwickeln.
Ein in der bisherigen Diskussion gehörtes Argument beinhaltete die Befürchtung, eine Offenlegung der tatsächlichen Lehrerversorgung könnte manche Schulen besser, manche schlechter dastehen lassen und damit unerwünschten Unfrieden stiften.
Unsere grundlegende Position dazu ist: Es kann ja wohl nicht sein, dass man ein Problem – das wohl unzweifelhaft nicht einer geheimdienstlichen Diskretion zu unterliegen hat – dadurch aus dem Blickfeld verdrängt, dass man dem Bürger Informationen vorenthält.
Ungeachtet dessen treten wir auch nicht an, die Situation polemisch zu dramatisieren. Die Situation der Lehrerversorgung ist nicht so dramatisch, dass die Schulen ihrem Auftrag nicht mehr nachkommen können. Aber sie ist definitiv unbefriedigend und darüber muss offen und auf Augenhöhe gesprochen werden dürfen.
So hörten wir auch von Lehrern und Elternvertretern, dass die Fachlehrerbesetzung wie beispielsweise im Fach Physik in naher Zukunft dramatisch werden wird. Die Botschaft der Staatsministerin inzwischen zurückgetreten, die Red.] in ihrem Interview vor wenigen Wochen lautet, ‚ja wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht, die Lehrerausbildung haben wir wieder angekurbelt und in einigen Jahren werden wir das Problem behoben haben.‘
Und von Octavian Ursu hörten wir, dass sich deutlich etwas bei der Bezahlung unserer Lehrer getan hat.
Wir hoffen das sehr und wir wollen, dass dieser erfolgreiche Weg für die Menschen in der Stadt Görlitz und im Freistaat insgesamt auch transparent mit verfolgt werden kann.
Wir möchten unseren Bürgern mit unserem Antrag eine Stimme in dieser Sache geben! Wenn die Aussagen der Staatsministerin stimmen, dann wird die von uns geforderte Auflistung dies im besten Sinne belegen können.
Was spricht also dagegen? Aus unserer Sicht nichts. Auch nicht die Befürchtungen einiger, dass wir die damit befassten Mitarbeiter der des Ministeriums und der Schulverwaltung bürokratisch überfordern würden.
Der Ernst unserer Vorlage wird dadurch unterstrichen, dass wir es für sinnvoll und notwendig finden, durch die von uns geforderte Transparenz den Druck in dieser Sache hoch zu halten. Die Befürchtung einiger, dass unser Oberbürgermeister mit diesem Beschluss überfordert ist, sehen wir nicht so. Er hat lediglich unseren Beschluss, sofern er mehrheitlich gefasst wird, mit einem Anschreiben im Auftrag des Stadtrates an den Ministerpräsidenten und die Kultusministerin zu schicken.
Ich bitte um Ihre Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit.“
So weit die Rede des Fraktionsvorsitzenden. Wie gesagt, die Zustimmung kam und wir werden in dieser Frage nicht locker lassen! –
Was gab es sonst noch in der Stadtratssitzung? Wie immer gehen wir nur auf wichtigere Vorlagen und Beschlussfassungen ein.
Die Vergabe der Bauleistungen für die Sanierung des Parks des Friedens wurde beschlossen, die nur durch eine besondere Förderung der EU möglich ist. Die erheblichen Kostensteigerungen gegenüber der früheren Kostenberechnung kann in diesem Fall erfreulicherweise durch unerwartet höhere Förderungen ausgeglichen werden. Die Konjunktur brummt und die Preise gehen fast überall im Baubereich durch die Decke: Bleibt zu hoffen, dass auch die Arbeitnehmer davon profitieren!
Das Betriebskonzept für die Synagoge wurde auch in der Sitzung beschlossen. Die bewährte Kulturservice Gesellschaft soll das bald fertig sanierte Gebäude ab 2019 als Kulturforum Görlitzer Synagoge betreiben. Tägliche Besichtigungen, vielfältige Veranstaltungen und kleinere Tagungen sollen den Kern der Nutzung bilden.
Wichtig war uns ein vernünftiger Kompromiss für die zukünftige Erreichbarkeit von Einrichtungen in Weinhübel mit dem Nahverkehr (vor allem Kühlhaus, Görlitzer Werkstätten, DPFA-Schule). Die DB fordert als Kompensation für den geplanten neuen Bahnhaltepunkt am See die Schließung des wenig frequentierten Bahnhofs in Weinhübel. Die organisatorischen und finanziellen Gründe hierfür sind durchaus nachvollziehbar. Aber Weinhübel darf deshalb nicht abgehängt werden! Der Stadtrat beschloss mehrheitlich, dass zukünftig eine zusätzliche Versorgung durch den Busverkehr geschaffen werden soll, der ja dann ohnehin wieder direkt von der Stadt betrieben und dadurch besser zu beeinflussen sein wird.
Eher eine nette Idee war der Vorschlag der Linken, einige Trinkwasserbrunnen in der Altstadt zu installieren. In vielen, vor allem touristisch attraktiven Städten der Welt ist das üblich und eine schöne Geste an die Gäste, aber natürlich auch für die Bewohner der jeweiligen Städte. Wir waren dafür, aber die CDU und andere konservative Kräfte fanden eine Mehrheit für ihre Meinung, dass sich sicherlich wohlhabende Görlitzer finden werden, die solche Brunnen spenden werden. Wir sind gespannt!
Kommentar schreiben